Schreibmaschine #6: Hermes Baby, 1950

Fertig revisioniert und mit einem frischen Farbband macht sich die kleine Hermes erstaunlich gut bei meinem Maschinenschreibübungen. Nach anfänglicher Skepsis gefällt mir dieses Maschinchen immer besser.

Die ‘berühmte’ Hermes Baby ist da

Kaum eine Webseite, die sich mit dieser kleinen Reiseschreibmaschine befasst, wird müde aufzuzählen, welche Schriftsteller auf einer Hermes Baby (bzw. Rocket in den USA) geschrieben haben. Bis zu dem Vergleich mit dem iPad von heute. Und entsprechend ‘verdorben’ sind auch die Gebrauchtpreise. In schreibfertigem Zustand werden dreistellige Summen verlangt für so ein Exemplar. Nun, meine war nicht in einem schreibfertigen Zustand, nicht mal ein bisschen. Sie kam in einem sehr gammeligen Zustand an, und hat nur 16,50 Euro gekostet. Jedesmal wenn ich die anfasste musste ich mir hinterher die Hände waschen. Wirklich.
Bestandsaufnahme:

Hier mal rein anekdotisch der Text auf Ebay:

Original Hermes Baby Reiseschreibmaschine, Rarität, 1935-1960, mit Koffer .

Die Hermes Baby ist eine mechanische Schreibmaschine, die zwischen 1935 und 1989 vom ehemaligen Schweizer Feinmechanikunternehmen Paillard-Bolex hergestellt wurde. Sie ist als flache, leichte und strapazierfähige Reiseschreibmaschine ausgelegt und hat bei einer Höhe von sechs Zentimetern ein Gewicht von vier Kilogramm. Bei ihrer Markteinführung 1935 war sie mit einem Preis von 160 Schweizer Franken billiger als alle vergleichbaren Konkurrenzprodukte. Auch im Export war das Modell schnell sehr erfolgreich: Mit einer Ausfuhr von 42’000 Stück Hermes Baby wurde die Schweiz 1938 nach den USA und Deutschland zum weltweit drittgrössten Exporteur von Schreibmaschinen.

Die Hermes Baby war auch bei Autoren sehr beliebt: Zu den Besitzern einer Hermes Baby zählen Ernest Hemingway, John Steinbeck, Peter Härtling und Friederike Mayröcker (letztere soll gesagt haben, sie sei mit ihrer Hermes Baby verheiratet). Im Roman Homo faber von Max Frisch wurde die Hermes Baby ebenso literarisch verewigt wie in Dieter Meiers Buch Hermes Baby und dessen Titelgedicht.[1] Auch Emmi Creola-Maag (besser bekannt als Betty Bossi) tippte ihre Kochtipps von 1956 bis 1971 auf einer Maschine dieses Typs.

Das Farbband, nun 50-80 Jahre alt, muss natürlich zum neuen Schreiben gewechselt werden. 😉 Tastatur/Anschlag läuft einwandfrei!!!

Etwas humoristische und optimistische Zustandsbeschreibung am Schluss. Und, wie ich später entdeckt habe, komplett kopiert aus einer anderen Ebay-Auktion. Auch die letzten beiden Sätze. Aber die Fotos konnten nicht täuschen. Es hat auch sonst kaum jemand darauf geboten. Passt schon. Irgendwie… Aus Schei**e Gold machen konnte der Verkäufer bei 16,50 Euro jedenfalls nicht. Aber für den Preis gilt nun:

Es gibt viel zu tun!

Noch Fragen zum Zustand? Daß sich hier noch was bewegte grenzt an ein Wunder.

Meine Baby hat schon die 7-stellige Seriennummer und stammt demnach von 1950. Das Ding müffelt nach Keller. Das wird ein größeres Projekt. Da die meisten Typenhebel beweglich sind, war es aber möglich, ein paar erste Zeichen zu tippen und sich einen ersten Eindruck zu verschaffen.

Da ist noch einiges zu tun und zu justieren.

Dann fiel mir auf, dass die Walze keine ‘Ratsche’ hat. Ohne die kann man nicht die Zeilen hoch oder runter drehen, und dabei im richtigen Zeilenabstand bleiben. Ich konnte auch nicht erkennen, welches Bauteil dafür zuständig wäre. Also habe ich das mal zerlegt.

Auch im zerlegten Zustand liess sich nicht ausmachen, wo mal ein Ratschenmechanismus gewesen sein könnte. Es sieht nicht so aus, als würde was fehlen. Aber das muss doch fehlen. Ob sich hier schon Mal jemand Ersatzteile geholt hat? Bevor das nicht geklärt ist, muss ich nicht weiter machen. Ansonsten wäre die Baby relativ zügig wieder zu restaurieren gewesen. Zur Not muss ich eine eigene Lösung finden.

Get the job done!

Und natürlich konnte ich nicht lange fackeln. Man braucht ja auch mal ein Erfolgserlebnis.
In einem Youtube Video aus den USA habe ich sehr unscharf und nur für Sekundenbruchteile etwas gesehen, was die vermisste Ratsche darstellen könnte. Jedenfalls genug, um eine Idee zu bekommen, wie ich das Problem lösen kann.

Die Ratsche besteht aus einem Stück 0,5er Messingblech, unterstützt von einem Stück Federstahlblech.

So ist das dann eingebaut. Es ratscht sehr kräftig.

Bis hierhin vergingen Stunden und natürlich musste ich auch die Ratsche wieder auseinanderbauen. Ich warne hiermit ausdrücklich davor, den Schlitten, auf dem der Wagen sitzt, auseinanderzunehmen. Das ist richtig übel. Mein Erfolgserlebnis habe ich mir hart erkämpft. Jetzt läuft da hinten wieder alles so wie es soll. Ausser die Rückschritt-Taste, da wollte eine winzige Feder einfach nicht an ihren Platz zurück. Das mache ich aber noch.

Der Rest sind jetzt hoffentlich nur noch ganz normale Reinigungsarbeiten. Und Austausch der Filzmatten im Gehäue. Die müffeln sehr.

Die Tasten wurde mit meiner Geheimwaffe wieder sauber: Zahnbüste und Zahnpasta. Zum Schluss noch mit Petroleum abgerieben, dem ein Schuss Öl beigemischt war. Dadurch gibt es ein bisschen Glanz.

Hier ist auch wieder alles sauber.

Die Schrift musste ich einstellen. Die Typen schlugen nicht zentral an, sondern immer im unteren Bereich. Ein bisschen bin ich übers Ziel hinausgeschossen. Aber besser es ist unten etwas blass als oben. Genauer gehts nicht, die Baby ist kein Präzisionswunderwerk. Immerhin stimmt die Höhe zwischen Klein- und Großbuchstaben. Und mit einem frischen Farbband wird das auch schon anders aussehen.

Vom Tippen her fühlt es sich recht schwungvoll an. Kein drücken gegen einen zunehmenden Widerstand, sondern gleichmäßig über den ganzen Weg. Die Tastaturbreite ist nicht gering. Ich messe von linke Kante A-Taste bis rechte Kante Ä-Taste 205mm. Die Mercedes Büromaschine hat nur 200mm.

Jetzt noch das Gehäuse auf Vordermann bringen.

Das geschah völlig schonungslos mit Scheuermilch und Scheuerschwamm. Zum Schluss Rostschutzpaste drauf für den seidigen Glanz und Dreckschutz. Die Paste gibts bei Spiess Industries und ist ein Geheimtipp von mir.

Nicht mehr viel übrig vom Schriftzug.

Und auch der Kofferdeckel ist sauber. Wenn man das mit den ersten Fotos vergleicht, schon ein Unterschied. Die Schrammen darf der Deckel alle behalten.

Ein neues Farbband ist unterwegs, dann sehen wir weiter was der Tastenanschlag macht und das Schriftbild. Übrigens passen die normalen Din-Spulen mit 53mm nicht wirklich rein. Bei geschlossenen Deckeln klemmts. Ich muss mir noch welche auf 50mm anpassen.

Inzwischen habe ich ein altes Farbband mit neuer Tinte stark getränkt und in selbstgeschnitze 50mm Spulen eingesetzt. Damit lassen sich jetzt auch meine Maschinenschreibübungen machen. Zunächst hakte noch der Bandtransport, aber nur von links nach rechts. Da war wieder kreatives justieren nötig, dann lief es. Mit der Hermes Baby freunde ich mich so langsam an.

Das Schriftbild ist nicht überragend, für so ein winziges Maschinchen aber gut.