RadioPi

Mobiles ‘Koffer’-Radio mit Röhren-Hybrid Kopfhörerverstärker

Nachtrag nach 5 Jahren: Das RadioPi stand ein paar Jahre im Regal. Die Volumio-Installation hatte sich irgendwann aufgehängt. Jetzt ist der RasPi raus geflogen und statt dessen ein Bluetooth-Audio Adapter eingezogen. Es ist nun also ein guter Kopfhörerverstärker fürs Streaming vom iPad.

Vorzugsweise lokale Webradio Programme und die Musiksammlung von der Netzwerkfestplatte sind die Musikquellen, die ich mit dem RadioPi wiedergeben möchte. Mit einem höherwertigen Kopfhörerverstärker für besten Musikgenuss, aber auch mit integrierten Lautsprechern als einfache Hintergrundbeschallung, als Radiowecker oder einfach 2go auf dem Balkon oder rund ums Haus.

Konzept:

Diese Komponenten sollen in einem Gehäuse integriert sein:

  • Raspberry Pi 3-B
  • Hifiberry DAC+
  • NP-100v12 Röhrenhybrid-Kopfhörerverstärker
  • 2x3W Class-D Verstärkermodul
  • Visaton FRS 5 X -8 Ohm Lautsprecherchassis
  • Volumio oder eine andere Lösung mit Webinterface
  • Mobile Stromversorgung per eingebautem Akku

Hardware

Raspi und Hifiberry
Das Raspi ist ein gerade aktuelles Pi 3 Modell B. Ich verwende den Hifiberry DAC+. Nicht die Pro-Version, die deutlich mehr kostet. Den Unterschied zwischen den beiden werde ich nicht wahrnehmen können. Dazu braucht es ein geübtes Gehör, das ich nicht habe.

Das RadioPi benötigt einige Entwicklungsarbeit. Daher baue ich erst alles auf einem einfachen Brett auf. Wenn alles betriebsbereit ist, kommt es in ein Gehäuse:

Der Hifiberry! Angeblich hat dafür schon manch einer seinen 1000$ DAC in Rente geschickt. Angeblich…!

Headphone-Amp mit Röhre
Einen Kopfhörerverstärker zu wählen ist gar nicht so einfach. Das Problem ist der Akkubetrieb. Gute Amps mit modernen Linearverstärkern brauchen symmetrische Spannungsversorgung. Hier ist der Aufwand für die Spannungsversorgung höher als für die Verstärkerschaltung selbst. Es gibt einige interessante Lösungen zu kaufen, aber mich reizt natürlich der Selbstbau. Auf aufwendige Beschaltung von langweiligen ‘Chips’ habe ich aber keine Lust und so wurde es eine der am meisten Bau- und Hörvergnügen versprechenden Lösungen, die ich finden konnte: Eine Verstärkerschaltung mit Röhrenvorstufe und FET-Endstufe in Class-A.
Für den Akkubetrieb gibt es kaum was unpraktischeres: Es braucht viel Platz, viel Strom und es erzeugt viel Hitze.
Aber es gibt 7 gute Gründe dafür: Es glüht. Es klingt warm. Es glüht. Es ist analog. Es glüht. Es klingt harmonisch. Es glüht. 🙂
Hier ist die Schaltung zu finden:
http://diyaudioprojects.com/Solid/12AU7-IRF510-LM317-Headamp/
und dazu eine Einschaltverzögerung, die den Kopfhörer schützt:
http://diyforums.org/MAX/MAXe12.php
Diese Röhren-Schaltung ist sicher kein High-End. Aber sie bietet schon viel Qualität. Und sie benötigt einfach nur 12V.

Hier ist der fertig aufgebaute Kopfhörerverstärker:

Mit Abschirmung und Kühlblechen aus Kupferblech

Wenn ich nicht eine Masseverbindung vergessen hätte, hätte der Verstärker direkt beim ersten Test voll funktioniert. So erst im zweiten Anlauf 🙂
Aber der Klang ist überzeugend. Nicht nur so gut wie mein gekaufter Dynavox CSM-112 Kopfhörerverstärker, sondern besser. Angeblich brennt die Röhre sich noch ein und der Klang wird weicher. Da bin ich gespannt.
Basslastige Musik kommt sehr knackig rüber (z.B. Björk Debút). Detailreiche Musik kann ich mir kaum detailreicher in der Wiedergabe vorstellen (z.B. Pink Floyd). Auch Techno und Trance machen Spass.
Mir gefällts von der ersten Minute an. Die Qualität der Kopfhörers spielt natürlich die größte Rolle dabei. Ich bevorzuge ein neutrales Klangbild, das nicht mehr hinzufügt als in der Musik vorhanden ist. Dafür ist der AKG K 701 gut.
Der Stromverbrauch liegt bei 400mA, also 5W an 12V. Dafür erzeugt es eine Menge Abwärme. Alle vier Halbleiter werden deutlich heiss, die Röhre ist im Vergleich dazu harmlos. Daher habe ich den Halbleitern einen Streifen Kupferblech spendiert. Die laufen jetzt kühler. Gegen Streueinstrahlung z.B. vom Raspi habe ich eine Abschirmung um die Schaltung gelegt, die an genau einem Punkt nahe des Signaleingangs mit der Masse verbunden ist. Schon das blosse Berühren eines Eingangskondensators hat Brummen ausgelöst. Wir leben ja ständig in einem EM-Feld.
Ansonsten ist die Verstärkerschaltung komplett ohne Nebengeräusche. Kein Rauschen, kein Säuseln, Zirpen oder sonstwas, solange der Hifiberry seine Ausgänge aktiviert hält. Schaltet der ab, rauscht es leicht.

Lautsprecher und der Miniverstärker
Ich habe ein altes Transistorradio, das voll funktioniert. Der 3Ah-Akku da drin hält ewig. Der Klang ist – naja…, aber doch irgendwie dauerhörbar. Warum?
Die modernen Schallwandler versuchen immer, ein komplettes Frequenzband möglichst gleichmäßig und breit in den Raum abzustrahlen. Im Prinzip ist das gut, aber die Musik steht damit halt auch immer im Vordergrund. Sobald man auch nur im Nebenraum ist, verändert sich das Klangbild so, dass man es nicht mehr hören mag. Die Bässe dringen bis dort hin durch, die Höhen nicht. Es klingt unharmonisch. Ausserdem wird bei vielen Geräten das Klangbild verkaufsfördernd hin zu fett und aufdringlich geformt.
Harmonisch ist ein Klangbild, wenn die Anteile der Höhen und der Tiefen ausgewogen sind. Reichen z.B. die Höhen bis in oberste Frequenzen, aber die Tiefen reichen nur bis 200Hz, so versucht das Hirn, die fehlenden Bass-Anteile so zu ergänzen, dass es wieder harmonisch ist. Das strengt das Hirn aber an und so wird Musik hören zum Stress.
Bei den alten Transistorradios fehlen Höhen und Tiefen gleichermaßen, das ist also wieder harmonisch. Das Hirn kann sich entspannen. Auch im Nebenraum klingt es noch harmonisch (ich lasse mein altes Radio oft in einem Nebenraum laufen, weil nur da guter UKW-Empfang ist). Genau da will ich mit dem eingebauten Lautsprecher hin. Dafür reicht schon einfache Technik. Upgraden kann man immernoch.

Stromversorgung
Das Gerät soll im Akkubetrieb laufen. Die Akkukapazität soll für mindestens 6 Stunden reichen.

Diese anscheinend einfache Angelegenheit wurde aber zum Problem: Wenn das Raspberry Pi und der Röhrenverstärker aus dem selben Akku bestromt werden, entstehen ganz üble Störgeräusche. Man hört den Raspi digital knattern. Egal was ich versucht habe (und ich habe viel versucht), es wurde nicht besser.

Es blieb nur ein Weg: Komplett getrennte Stromversorgung für Raspi und Röhrenverstärker. Alles Andere führt zu Störgeräuschen. Für mich war das überraschend. Analogtechnik und Digitaltechnik vertragen sich wohl nicht so leicht miteinander.
Das heisst: Zwei Netzteile, zwei Ladeschaltungen, zwei Akkus. Und selbst dann musste ich mit den Masseverbindungen experimentieren, bis keine Störgeräusche übrig blieben.

Mit einem LM317 habe ich mir eine Ladeschaltung für den 12V-Bleiakku aufgebaut. Es ist die Schaltung am Ende dieser Seite: http://diyaudioprojects.com/Technical/Voltage-Regulator/
Bestromt wird das mit einem kleinen 19V Netbook-Netzteil, das ich fest im RadioPi verbaue.
Die Schaltung funktioniert gut. Da die Ladespannung 13,8V nicht übersteigt, wird der Akku auch nicht überladen. Der Ladestrom geht einfach zurück, man kann es am Kühlkörper erfühlen 🙂

Der Bleiakkulader. Die drei 12V/20W Stiftsockelbirnen sind parallel geschaltet und dienen als 0,2 Ohm Widerstand zur Strombegrenzung. 400mA Ladestrom entstehen so maximal.

Für die 5V-Versorgung des Raspi verwende ich ein 5V Netzteil, das ebenfalls fest verbaut wird. Hier geht es weiter über eine Ladeschaltung auf einen Lithium-Akku, und über einen Step-Up Wandler zur Mini-USB Power-Buchse des Raspi. Ein Anschluss an die GPIO-Pins 4 und 6 erzeugt wiederum Störgeräusche. Es ist wirklich zum Haareraufen. Wenigstens hat die Mini-USB-Buchse auf der Platinen-Rückseite Lötpins, an die man ein Anschlusskabel direkt anlöten kann. So konnte ich mir den seitlich herausragenden Stecker ersparen.

Insgesamt ein großer Aufwand, aber zum Glück auch großer Erfolg: Keine Störgeräusche mehr! Sogar mit Anschluss an der Steckdose nicht, wobei die Masse des Röhrenverstärkers dann über das Netzkabel geerdet sein muss. Sonst entsteht Netzbrumm.

5V Netzteil, Lademodul und Step-Up Wandler von 3,7V auf 5V.
Hier im Aufbau mit zwei Lithium-Zellen, die parallel geschaltet sind und zusammen 3,6Ah Kapazität haben.
Gehäusechassis von vorne. Es besteht aus 10mm MDF und ist mit einer Lasur abgetönt. Später sieht man nichts mehr davon. Größe LxHxT: 293x120x120mm
Auf der Rückseite sind die Boxenrückwände vertieft eingesetzt. In die Vertiefungen kommen die Netzteile.
Haltewinkel für Schalter, Kopfhörerbuchse, Lautstärkepoti und Netzbuchse + Schalter
5V Netzteil, Netzkabelbuchse und Netzschalter.
Auf der anderen Seite das 19V Netzteil für den Bleiakkulader. Das dünne weiße Kabel ist ein Erde-Anschluss für die Signalmasse des Röhrenverstärkers.
Der Gesamtaufbau.
Ein größerer Lithium-Akku mit 16Ah. Jetzt sollte das über einen ganzen Tag reichen, Nachts wird geladen. Ich fahre das Raspi nie herunter, sondern stoppe nur die Musikausgabe. Der Akku sollte aber auch locker zwei Tage überstehen. Der Bleiakku, da er anders als geplant nicht mehr den Raspi mitversorgen muss, ist nun auch gut für 16-18 Stunden Spielzeit des Röhren-Kopfhörerverstärkers.
Noch ein letzter Blick in den fertigen Aufbau, bevor das Gehäuse kommt.
Die Beeren-Intarsien sind ins Furnier eingelassen. Vier Beeren = vier Prozessorkerne. Ich konnte einfach nicht widerstehen 🙂
Das Chassis wird dann von hinten in den Holzrahmen eingeschoben. Dafür musste ich allerdings erst die Hifiberry-Platine lösen, da die Cinchbuchsen seitlich in einen Holzausschnitt hinein ragen.
Die Rückwand ist mit nur zwei Schrauben leicht abnehmbar befestigt. Rechts neben den USB-Buchsen des Raspi ist ein Run-Header-Taster befestigt, damit kann man einen Warmstart ausführen. Über die größere Bohrung in der oberen Mitte kommt man mit einem Mini-USB-Stecker eines Netzteils direkt an die Ladeplatine des Lithium-Akkus. Also für den reinen Lautsprecherbetrieb kann ich auch per USB-Ladegerät laden.
Durch den Lüftungsspalt sieht man es leuchten. Das Glühen der Röhre ist eher unspektakulär, daher hat es sich nicht gelohnt, dafür ein Fenster auf der Front zu machen.

Nachtrag zur Stromversorgung
Der Ladestrom für den Lithium-Akku von max. 1A reicht nicht aus, um es über Nacht voll zu laden. Es werden ja bereits 0,5A gleich verbraucht, also bleiben nur 0,5A Ladestrom übrig. Rein rechnerisch muss also 12h/Tag geladen werden.
Im Moment möchte ich an der Ladeschaltung nichts ändern und lade halt auch tagsüber noch ein paar Stunden.

Software:

Volumio
Die Steuerung von Volumio über das Webinterface gefällt mir, und es bietet auch einige weitere Funktionen, die später mal interessant werden könnten. Ursprünglich wollte ich auch eine Steuermöglichkeit mit Bedienelementen direkt am Radio haben. Aber inzwischen halte ich die Steuerung per Webinterface für die beste Lösung.

Die Installation von Volumio ist hier beschrieben: https://volumio.github.io/docs/User_Manual/Quick_Start_Guide.html

Nach dem ersten Start konnte ich den Hifiberry als Audio-Device einstellen. Ein Neustart war nötig, um den zu aktivieren.

Jetzt mein NAS als Musikquelle eingestellt. Volumio hat dann über Nacht meine Musiksammlung gescanned.

Bei der Musikauswahl zwecks abspielen sind die Listen für Alben und für Artists viel zu lang und unübersichtlich, da einfach alles untereinander geschrieben wird. Meine MP3’s sind nicht getagged, und Playlists gibts auch nicht. Zum Glück gibt es eine Library, über die ich direkt auf die Verzeichnisstruktur komme. Hier habe ich für jeden Buchstaben A-Z einen Ordner angelegt und dort alles nach dem Namen des Künstlers/ der Band einsortiert.

Für die erste richtige Hörprobe habe ich mal Nora Jones abgespielt, die sich inzwischen in der Datenbank eingefunden hatte.
Es war ein Genuss. Ich will nicht sagen, es reisst mich vom Hocker. Das soll es auch gar nicht. Es klang einfach genau richtig. Nicht zu flach und nicht zu breit. Nichts was irgendwie störend auffällt oder aufdringlich wirkt. So soll das sein!

Die Lautstärke habe ich auf 50% begrenzt, das lässt sich in den Preferences einstellen. Sonst wird der Verstärkereingang übersteuert. Es ist auch laut genug. Der Hifiberry regelt die Lautstärke ja per Hardware, und benötigt keine klangverschlechternde Softwarelösung. Mein RadioPi hat aber zusätzlich ein Lautstärkepoti.

Mit Volumio muss ich mich noch eingehender befassen. Es gibt ja leider keine leichtverdauliche Anleitung. Und es fehlen mir einige Funktionen, die man sich aber mehr oder weniger mühsam einrichten kann. Z.B. lokale Webradiosender und eine zeitgemäße Weckfunktion, die z.B. die Wochentage berücksichtigt. Ich bin aber erst am Anfang meiner Erkundungen. Mit Plugins habe ich mich noch gar nicht befasst.
Alternativen zu Volumio, wie RuneAudio, MusicBox oder Kodi, teste ich nach Bedarf. Auch Eigenentwicklungen wären möglich.

Infos:
UPNP und Webradio-Stationen hinzufügen: http://powerpi.de/high-end-musik-streaming-player-selbst-gebaut-raspberry-pi-2-anleitung/
UPNP: https://www.collybia.com/listen-youtube-music-from-your-raspberry-pi/