‘Röhrender Hirsch’ – Kleiner Röhrenverstärker und das Boxenwunder

Eine Bluetooth-Aktivboxlösung, bestehend aus kleinem Röhrenverstärker und kleinen Boxen, um Musik einfach im Hintergrund dudeln zu lassen, das war die Idee. Das ganze sollte musikalisch und unaufdringlich spielen, und dabei den schönen warmen Röhrenklang von früher bieten, der auch heute noch begehrt ist. Dafür brauchts halt auch einen alten Röhrenverstärker mit den damals üblichen Klangregelstufen: Mit dem Lautsärkeregler verändert sich das Klangbild sehr. Hört man leise, wird der Bass betont. Je lauter man dreht, desto ‘schriller’ wird es. Dazwischen ist irgendwo ein ‘sweet spot’, bei dem es am besten klingt.

Aus einem Ausschlacht-Chassis von einem alten Grundig Musikschrank konnte ich den Röhrenverstärker gewinnen. Obwohl der vollständig funktionierte, wurden vorsichtshalber einige Kondensatoren und der Selen-Gleichrichter ersetzt. Ein 75-Ohm Widerstand (2x 150 Ohm parallel geschaltet) in Reihe zum Ausgang des neuen Gleichrichters war nötig, um die Spannung anzupassen. Aber sonst ging es nur darum, alles in ein schickes Gehäuse zu bauen. Dazu kam noch eine Einschaltverzögerung und ein Bluetooth-Adapter.
Was die Sache dann zu einem ganz erstaunlichen Ergebnis führte, waren die eigentlich nur zum Spass improvisierten Lautsprecherboxen…


Video von einem ersten Testlauf:

Der fertige Aufbau auf einer schwarz gebeizten Grundplatte aus 10mm Sperrholz und einer Rückseite aus 4mm MDF. Die Frontplatte ist aus Plexiglas, der untere Teil von hinten schwarz lackiert. Die wurschtelige Verkabelung habt Ihr jetzt nicht gesehen. Immerhin funktioniert sie und es brummt nur ein bisschen 🙂


Das Gehäuse im Rohbau hat eine Innenbeschichtung aus Kupferklebeband. Mehr Show als Abschirmung, aber geerdet brummt es deutlich weniger im Lautsprecher. Die Grundplatte wird von hinten in das Gehäuse rein geschoben. Ich stehe nicht auf Röhren-Porno, wo die Röhren oben auf einem Gehäuse stehen. Bei mir gibts eine Röhren-Peepshow: Man kann durch die transparente Front in den Verstärker rein gucken.

Das Gehäuse bekam noch ein hübsches Furnier verpasst und auf der Front Alu-Zierleisten. Oben gibts ein Alu-Lochblech für die Abwärme. Hier werden 50W in Wärme umgewandelt!

Out of the Box, die Lautsprecher:

Eigentlich war geplant, den Verstärker an meinen Saba-Schallwänden zu betreiben. Dafür kann das Ausgangssignal vom großen Verstärker hier durchgeschleift werden: Erst wenn der Röhrenverstärker eingeschaltet wird, schaltet die Einschaltverzögerung den Röhrenausgang zu den Schallwänden durch.

Leider funktionieren die Schallwände nicht an dem Röhrenverstärker. Die entwickeln ein heftiges Eigenleben. Da werden wohl irgendwelche heftigen Impedanzspitzen entstehen.

Auf dem kurzen Video oben sieht man aber meine CHP-70 erster Generation. Die haben schon einige Stationen bei mir hinter sich. Sie konnten aber weder als Tuby noch als geschlossene Box überzeugen. Nur zum Spass habe ich die dann in kleine Kartons gesetzt. Bei Minus 8 Grad wollte ich keine Holzgehäuse bauen. Etwas Dämmwolle rein, hinten zugefaltet (nicht geklebt), und angeschlossen.

Sensation!

Kann es mir nicht erklären. Was da “out of the box” kommt macht einfach Spass. Das ist der gute alte Röhrenklang von früher. Die Pappe schwingt vollmundig mit, ohne zu dröhnen. Ich vermute, Pappe hat hier gerade die richtige Mischung aus Schwingvermögen und innerer Dämpfung. Härteres Material, z.B. Sperrholz, könnte schon aufdringlicher klingen.

Die Boxen erreichen gute Zimmerlautstärke. Mehr ist allerdings auch nicht drin, ohne den oben erwähnten ‘sweet spot’ zu verlassen.

Das ist wirklich dauerhörbar. Und es klingt deutlich ‘größer’ als es ist. Klanglich entsteht eine verblüffend breite ‘Bühne’. Die schwurbelige E-Gitarre von Elements of Crime schwingt mitten im Raum. Und das mit Breitbandchassis, die als Punktschallquelle normalerweise eher gut zu orten sind.

Für Partymusik und Metal eher nicht geeigent. Für feinsinnigere Musik und aktustische Instrumente aber sehr schön.

Dieses kleine Boxenwunder kann bis auf weiteres so bleiben!

Kosten:
Grundig-Chassis 10 Euro, da war dann auch noch der Plattenspieler aus der Musiktruhe dabei.
2x Reichelt Bestellung, ca. 70 Euro (incl. Bluetooth-Adapter von Logitech). Die beiden Versandkartons wurden dann zu den Lautsprecherboxen 🙂
Also in Summe ca. 80 Euro, und 2 Wochen Arbeit.